MdB Josip Juratovic plädiert für einen verlässlichen Beitrittsprozess
Eine gewisse Parallelität in der politischen und wirtschaftlichen Situation sieht der Heilbronner SPD-Bundestagsabgeordnete Josip Juratovic zwischen dem Westbalkan und der Europäischen Union. Vor dem Arbeitskreis 60plus des SPD-Kreisverbandes Heilbronn-Land beleuchtete der in Kroatien geborene Juratovic den Zerfall Jugoslawiens nach dem Tod Titos im Jahre 1980 und die weitere Entwicklung. Berichte vom uralten Hass auf dem Westbalkan zwischen Minderheiten, Religionen und Konfessionen seien ein Mythos.
Der Staatszerfall habe seine Ursachen in Konsumrausch und Spekulationsblasen sowie verhängnisvollem Machtehrgeiz selbst ernannter nationaler Führer, was zu Wirtschaftskrisen und zerstörerischen Kriegen und schließlich zur wenig befriedigenden Entstehung von sechs zerstrittenen Kleinstaaten geführt habe.
Auf dem Westbalkan herrsche ein ähnliches Wohlstandsgefälle wie in der EU bzw. in der Euro-Währungsunion insgesamt, stellte Juratovic heraus. Den ehemaligen jugoslawischen Staaten gehe es heute, gemessen an der Wirtschaftsleistung, erheblich schlechter als in Titos Selbstverwaltungsozialismus. Arbeitslosigkeit von 20 bis 30 Prozent und bei der Jugend gar zwischen 40 und 60 Prozent kennzeichne die Wirtschaftslage. "Die nach dem Bürgerkrieg aufgewachsenen Jugendlichen und jungen Erwachsenen betrachten sich als verlorene Generation," so Juratovic, der immer wieder mit deutschen Parlamentariergruppen auf den Westbalkan fährt und insbesondere gute Kontakte zu dortigen Hochschulen unterhält. Juratovic: "Die EU muss sich dem Westbalkan wieder stärker zuwenden und zu einer nachhaltigen Befriedung beitragen". Europa könne sich in dieser Region und auch im Hinblick auf ein Überleben Griechenlands keinen permanenten Unruheherd leisten. Der weit verbreiteten Perspektivlosigkeit müsste ein verlässlicher Beitrittsprozess gegenüber gestellt werden. Nur so könnten dem immer wieder drohenden Ausbruch ethnischer Gewalt und der Zementierung der Macht fragwürdiger Eliten entgegengewirkt werden, meinte Juratovic, der auf das politische Erwachen einer neuen Generation setzt. (hs)